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* 25.04.1941, Lyon, Frankreich † 25.03.2021, Sainte-Maxime, Var, Frankreich
Regisseur, Drehbuchautor * (nach Kriegsende) zieht mit der Familie nach Paris * beginnt ein Jurastudium (nach zwei Jahren abgebrochen) und schreibt zunächst Filmkritiken für die Studentenzeitung L'Etrave, ab Anfang der 60er Jahre für Cinéma, Cahiers du Cinéma und Positif * Mitgründer des Filmclubs Nickel-Odéon * Regieassistent von Jean-Pierre Melville bei Léon Morin, prêtre * Pressesprecher für den Filmproduzenten Georges de Beauregard und verschiedene Filialen amerikanischer Studios in Frankreich * 1963-64 inszeniert zwei Beiträge für die Episodenfilme Les baisers und La chance et l'amour * ab 1965 arbeitet als freier Publizist * 1973 eigenständiges Regiedebüt mit dem Krimidrama L'horloger de Saint-Paul (nach Georges Simenon) - Beginn einer langjährigen Zusammenarbeit mit Philippe Noiret (bis 1993) * auch Fernseharbeit * Gründer der Produktionsfirma Little Bear * (Co-)Autor einiger Filmbücher (Interviewbuch Amis americains: entretiens avec les grands auteurs d'Hollywood, 1993; 50 ans de cinéma américain, 1995) * Präsident des Institut Louis-Lumière in Lyon * verheiratet mit Colo Tavernier [O'Hagan] (1965-83) * Vater von Nils Tavernier
Regisseur Bertrand Tavernier studiert zunächst Jura, gibt das Studium aber für seine Kinoleidenschaft auf und arbeitet Ende der 50er Jahre als Kritiker für die renommierten französischen Filmzeitschriften "Positif" und "Cahiers du cinéma". "Der Uhrmacher von St. Paul" gehört zu einem seiner ersten Spielfilme, gefolgt von "Wenn das Fest beginnt..." (1975). Tavernier gilt international als einer der produktivsten und künstlerisch eigenständigsten Filmemacher der Folgegeneration der Nouvelle Vague. Sein Film "Der Lockvogel" wird 1995 bei den Filmfestspielen in Berlin mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet. [ARTE, Juli 2007]
1941 in Lyon geboren, wuchs der Sohn eines Schriftstellers und Verlegers in Paris auf. Seine Passion war und ist das Kino. Seit der Kindheit ein leidenschaftlicher Kinogänger, gab er das Jurastudium auf und arbeitete ab Ende der fünfziger Jahre als Filmkritiker. In den sechziger Jahren ist er Presseagent für den Produzenten Georges de Beauregard und verschiedene Filialen amerikanischer Studios in Frankreich. Er hat einige Referenzwerke der französischen Filmliteratur geschrieben, u.a. „Cinquante ans de cinéma américain“, eine Monographie über Humphrey Bogart, eine Geschichte des Western sowie das 700-Seiten starke Interviewbuch „Amis américains“. Nach einer Assistenz bei Jean-Pierre Melvilles Film Eva und der Priester (Léon Morin prêtre, 1961) inszenierte Tavernier 1973 seinen ersten langen Spielfilm: Der Uhrmacher von St. Paul (L’horloger de Saint Paul), nach einem Roman von Georges Simenon: Ein junges Paar hat einen Werkpolizisten erschossen, der in eine Gruppe streikender Arbeiter gefahren ist. Der Vater fühlt sich mitverantwortlich für die Tat seines Sohnes und findet in Kommissar Guiboud einen Gesprächspartner. Bertrand Tavernier lässt sich unendlich viel Zeit, den Fall ganz aus der Peripherie heraus zu entwickeln. Für die präzise Regie erhielt er den Prix Louis Delluc. 1975 folgte Wenn das Fest beginnt (Que la fête commence), eine leidenschaftliche Reflexion über die Geschichte und ihre Wirkungskräfte. Einige der Filme aus seinem weit gespannten Werk: Death Watch - Der gekaufte Tod (La mort en direct, 1979), mit Romy Schneider und Harvey Keitel, widmete sich dem Voyeurismus der Medien. Für erregte Debatten sorgte die 1981 gedrehte Kolonialsatire Der Saustall (Coup de torchon), angesiedelt im französischen Westafrika, wo Ende der dreißiger Jahre, kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs, der Moral- und Werteverfall der Weißen ad absurdum geführt wird. Hinter dem wehmütigen Abschied eines Künstlers von seiner Familie im Sommer des Jahres 1912 ließ der Regisseur in Ein Sonntag auf dem Lande (Un dimanche à la campagne, 1984) das brüchige Klima des heraufziehenden Ersten Weltkriegs und damit die Schwelbrände einer untergehenden Epoche anklingen – eine Zeit, die ihn nicht losließ und der er sich in Das Leben und nichts anderes (La vie et rien d’ autre, 1989) und Capitaine Conan (1996) erneut widmete. Die Schönheit des Augenblicks und die Vergänglichkeit menschlichen Lebens dagegen zelebrierte er mit dem Jazzfilm Um Mitternacht (Round Midnight, 1986). Mit Auf offener Straße (L. 627, 1992) und Der Lockvogel (L’appât, 1995) inszeniert er zwei vielfach ausgezeichnete und sehr düstere Krimis. Ça commence aujourd'hui (Es beginnt heute, 1999) lässt diejenigen zu Wort kommen, die nie Zugang zu den Medien haben – die Ärmsten unserer Gesellschaft –, während Laissez-Passer (2002), sein letzter Film vor Holy Lola, die Situation des französischen Kinos unter der deutschen Besatzung thematisiert. An die vierzig Filme in allen Genres hat Tavernier bis heute gedreht und viele weitere produziert – darunter The Troubles We’ve Seen (1994) von Marcel Ophüls, Fred (1997) von Pierre Jolivet und De l’autre coté du Périph (1998) von seinem Sohn Nils, bei dem er auch als Co-Regisseur beteiligt war. Bertrand Tavernier wird von seinem Biographen Jean-Luc Douin als Mann mit vielen Interessen und vielen Eigenschaften bezeichnet, der für sich u.a. in Anspruch nehmen kann, Talente wie Nicole Garcia, Gérard Lanvin, Marie Gillain, Julie Delpy, Jacques Torreton, Jacques Gamblin und sogar Harry Dean Stanton entdeckt zu haben. Als eingefleischter Kinoliebhaber und unübertroffener Kenner der angelsächsischen Filmkunst war und ist Bertrand Tavernier immer auch Historiker des Kinos. Er gehört zu den produktivsten und künstlerisch eigenständigsten Filmemacher der Generation nach der Nouvelle Vague, und er engagiert sich darüber hinaus auch als Humanist und sozial Verantwortlicher Mahner. Taverniers Motto lautet: "Ich will nicht die Welt verbessern, aber zeigen, wie sie ist und wie sie vielleicht sein könnte. Nicht nur Filmemacher sollten politische Verantwortung spüren, sondern jeder, der sich künstlerisch betätigt." [Presseheft von Holy Lola, 2005] |
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FILMS |
# Les baisers / I baci (1963-F/I > Baiser de Judas * R: BT, B: Claude Nahon, Roger Tailleur, K: Raoul Coutard, M: Eddie Vartan, D: Leticia Roman, Judy Del Carril, Bernard Rousselet) 90m-Episodenfilm (6508)
# La chance et l'amour / L'amore e la chance (Schräger Charme und tolle Chancen, 1964-F/I > Une chance explosive [23m] * R: BT, B: Bertrand Tavernier; Nicolas Vogel, K: Alain Levent, M: Antoine Duhamel, D: Michel Auclair, Bernard Blier) 97m-Episodenfilm (6412)
# L'horloger de Saint-Paul (Der Uhrmacher von St. Paul, 1973-F * Philippe Noiret, Jean Rochefort) (Roman von Georges Simenon) (7401)
# Que la fête commence (Wenn das Fest beginnt..., 1974-F) (7503)
# Le juge et l'assassin (Der Richter und der Mörder, 1975-F) (7603)
# Des enfants gâtés (Verwöhnte Kinder, 1977-F) 113m-Tragikomödie (7709)
# La mort en direct / Death Watch - Der gekaufte Tod (1979-F/D) 115/28m-Science-fiction (06-08; 8001)
# Une semaine de vacances (Ferien für eine Woche, 1980-F) (01-02; 8006)
# Coup de torchon (Der Saustall, 1981-F; R: BT, B: Jean Aurenche, Bertrand Tavernier, K: Pierre-William Glenn, M: Philippe Sarde, D: Philippe Noiret, Isabelle Huppert, Jean-Pierre Marielle) 128m-Gesellschaftssatire (Roman von Jim Thompson) (04-06; 8110)
# Un dimanche à la campagne (Ein Sonntag auf dem Lande, 1983-F) (Roman von Pierre Bost) (8404)
# Autour de minuit (Um Mitternacht, 1985/86-F) 131m-Künstlerporträt (8609)
# La passion Béatrice / Quarto comandamento (La Passion Béatrice, 1987-F/I) 131m-Historiendrama (03-?; 8711)
# La vie et rien d'autre (Das Leben und nichts anderes, 1988-F) (11-12; 8909)
# Daddy Nostalgie (Daddy Nostalgie, 1989-F; R: BT, B: Colo Tavernier O'Hagan; Bertrand Tavernier, K: Denis Lenoir, M: Antoine Duhamel, D: Dirk Bogarde, Jane Birkin, Odette Laure) 105m-Drama (09-?; 9009)
# L.627 (Auf offener Straße, 1991-F) 145m-Krimidrama (09-?; 9209)
# La fille de d'Artagnan (D'Artagnans Tochter, 1993-F) (9408)
# L'appât (Der Lockvogel, 1994-F) 113/5m-Krimidrama (9503)
# Capitaine Conan (Hauptmann Conan und die Wölfe des Krieges, 1995-F) 130m-Kriegsdrama (05-?; 9610)
# Ça commence aujourd'hui (Es beginnt heute, 1998-F) (04-?; 9903)
# Laissez-passer (2000/01-F/D/E) 170m-Tragikomödie (11-?; 0201)
# Holy Lola (Holy Lola, 2003-F) (0411)
# In the Electric Mist / Dans la brume électrique (In the Electric Mist - Mord in Louisiana, 2007-USA/F) 117m-Mysterydrama (04-06; 0904)
# La princesse de Montpensier (Die Prinzessin von Montpensier, 2009-F/D) 139m-Historiendrama (frei nach Novelle von Madame de La Fayette, 1662) (09-8 Wochen; 1011)
# Quai d'Orsay (2012-F) 113m-Politsatire (Comicbuch von Abel Lanzac=Antonin Baudry & Christophe Blain, 2010) (10-12; 1311) |
AWARDS |
> César (beste Regie) für Que la fête commence (1976)
> Regiepreis für Un dimanche à la campagne [Filmfestspiele Cannes 1984]
> Boston Society of Film Critics Award (beste Regie) für Un dimanche à la campagne (1985)
> César (beste Regie) für Capitaine Conan (1997)
> Goldener Löwe für sein Lebenswerk [Filmfestspiele Venedig 2015] |
BOOKS |
> Bertrand Tavernier: Qu'est-ce qu'on attend? Paris: Le Seuil, 1993
> Sergio Arecco: Bertrand Tavernier. Roma: Editrice il Castoro, 1993
> Jean-Luc Douin: Bertrand Tavernier, cinéaste insurgé. Paris: Ramsay, 1997
> Emily Zants: Bertrand Tavernier: Fractured Narrative and Bourgeois Values. Metuchen: Scarecrow Press, 1999
> Stephen Hay: Bertrand Tavernier: The Film Maker of Lyon. London/New York: I.B. Tauris & Co., 2000 - 244 S.
> Jean-Claude Raspiengeas: Bertrand Tavernier. Paris: Flammarion, 2001
> Jean-Dominique Nuttens: Bertrand Tavernier. Roma: Gremese, 2009 |
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